Dienstag, 7. Februar 2012

Carretera Austral – die Traumstrasse


Management Summary: Steiler, schöner und teilweise besser befahrbar als anderswo ist sie auf ihrem schönsten Teil, dem Südteil: Die Carretera Austral ist wahrhaftig eine Traumstrasse. Und viel gibt’s zu sehen: Marmolhöhlen, Singletrail, Kettensägen, Hollywood, Pferdebelagerung und eine Wildwestranch.

C: Ja, wenn wir schon mal in Rio Tranquilo sind, dann nehmen wir es auch tranquillo – und machen einen Ruhetag. Wir chartern über unser Hostal zusammen mit einem israelischen Paar ein Powerboat zu den Marmorhöhlen. Am Hafen sehen wir wieder ein bekanntes Rad stehen – Philipp, der französische Radler ist also bereits unterwegs zu den Höhlen. 

Das Powerboat verdient seinen Namen und bringt uns in wenigen Minuten dorthin. In die ersten zwei Höhlen fährt unser Kapitän hinein – es macht den Anschein, als wären die Höhlen genau für die Boote gemacht – es passt genau rein.

 


Weiter geht’s übers türkisgrüne Wasser zum Tunnel – einer Passage, in der in eine Höhle reingefahren wird, dann der Motor abgestellt wird und wir drei Höhlen später wieder hinausfahren. Daniela die zuhinterst sitzt, warnt alle vor vorstehenden Felsen, damit niemand den Kopf anschlägt, vergisst dann aber beim Fotografieren fast selber den Kopf noch einzuziehen.

Bei der „Cathedral de Marmol“ – dem Highlight der Tour, treffen wir auf zwei andere Boote – und auf Philipp mit seinem Cowboyhut. In wenigen Minuten rasen wir wieder zurück zum Ausgangspunkt und vor Mittag sind wir bereits wieder zurück in der Unterkunft mit genügend Zeit, um mal wieder etwas auszuspannen, zu blogen, lesen, schlafen und eine Spanischlektion reinzuziehen. Zudem kaufen wir Brot ein für unsere Weiterreise. Dies ist insofern erwähnenswert, als uns das spezielle Vorgehen schon an anderen Orten aufgefallen ist: Man betritt einen Laden der mit „Pan“ angeschrieben ist. Alle Gestelle sind leer, aber die Verkäuferin führt uns über die Strasse in die gute Stube einer Privatperson. Die gute Dame ist gerade am Brötli backen und verkauft uns in ihrer Privatwohnung die gewünschten Brötli.

Weiter geht’s auf dem Velo entlang des wunderschönen Sees nach Puerto Bertrand. Diese Strecke wird im Bikereiseführer beschrieben mit Steigungen  und Abfahrten „steiler als anderswo auf der Carretera“ -  es hat schon Steigungen, die sind aber nicht allzu steil und wir spötteln ein wenig darüber. Die Etappe ist eigentlich eine kurze, aber wie so oft ziehen sich die kurzen Etappen dann doch noch in die Länge, weil man da jeweils denkt „es ist ja nicht so weit“ – 50 km sind aber dann immerhin 50 km und auch die wollen zuerst gefahren sein.

Beim Eintreffen sieht Puerto Bertrand nach einem sehr verschlafenen Kaff aus, doch als wir durchs Dorf durch und die unendlich steile Strasse runter an den See fahren, merken wir, dass die Musik unten am Wasser spielt (wenn auch sehr leise). Unser „Hostal Puerto Bertrand“ liegt direkt am Ende des Sees oder eben am Anfang des wasserreichsten Flusses von Chile, dem Rio Baker, der in einem flüssigen Übergang von See zu Fluss entspringt. Es besteht ein Projekt von 4 Kraftwerken in der Region des Rio Bakers, welches Santiago über eine 2000km lange Hochspannungsleitung entlang der Carretera mit Strom versorgen soll. Wenn diese Kraftwerke gebaut werden, ist es vorbei mit der idyllischen Streckenführung der Carretera. Aus diesem Grund kämpfen die Gegner unter dem Slogan „Patagonia sin represas!“ erbittert gegen das Projekt – die grossen Plakate finden sich regelmässig entlang der Carretera und schön gemachte Bildbände liegen in jedem Hostal und den öffentlichen Gebäuden auf – teilweise gleich neben der Präsentation des Kraftwerkprojekts.                                                                                       

Ein Restaurant finden wir hier keines, aber wir werden in der Baker Lodge als externe Gäste verköstigt – der runde Preis auf der Rechnung verrät uns, dass sie mal schnell noch einen Preis für ein Abendessen kreieren mussten, da wir wohl die ersten externen Gäste waren.






Einige Kilometer unterhalb Puerto Bertrand befindet sich die „Confluencia“ des Rio Baker und Rio Nef die sich anscheinend zu besuchen lohnt  - um das schmale Zugangstor passieren zu können, müssen wir alle Saccochen abmontieren. Der kurze Abstecher lohnt sich aber insofern, als dass er über 1.5km Singletrail führt und Corsin’s Vorfreude auf‘s neue Scott Genius und die Bikesaison wieder auflodern lässt.








D: Wenn wir gestern noch gespöttelt haben wegen „steiler als anderswo“ und so – so verging uns das Lachen heute, als wir diese Stellen dann doch noch gefunden hatten. Wieder mal war‘s heiss und wir keuchten die Steigungen hoch – nach dem Schild, das den Autos den ersten Gang empfiehlt, reichte unser erster, bzw. das kleinste Kettenblatt dann leider nicht mehr ganz und wir (C: EIN Teil unserer Reisegruppe) mussten die Räder wieder mal schieben. In einer Steigung trafen wir ein deutsches Radlerpärchen und tauschten die obligaten Infos über die Route aus. Dabei kamen aber dann eben die im letzten Blogeintrag erwähnten Tücken dieses Austausches zum Vorschein…Die beiden meinten nämlich treuherzig, es gehe nun noch ein gutes Stück rauf, danach aber nur noch runter bis nach Cochrane. Frohen Mutes gaben wir nochmals alles und waren dann baff erstaunt als es nach der Abfahrt nochmals happig raufging. Leider blieb es dann auch nicht bei dieser einen weiteren Steigung, sondern es kamen nochmals mindestens vier ausgewachsene Hügel bis dann endlich das ersehnte Cochrane auftauchte. Diesmal war es vor allem Corsin, der fand, diese Etappe nehme nun aber wirklich kein Ende, zumal wir aufgrund der verschiedenen Karten und Angaben auf den Strassenschildern irgendetwas zwischen 42 und 63 Kilometer zu bewältigen hatten.

Cochrane, das als letzter grösserer Ort auf der Carretera angegeben wird – was auch immer das heissen mochte, wir waren diesbezüglich unterdessen etwas vorsichtig geworden – überraschte uns dann positiv. Wenn auch nicht gerade Hollywood (siehe Foto, da ist wohl der Grössenwahn ein bisschen mit dem Ortsplaner durchgegangen), so bietet der Ort doch alles, was unsere Herzen höher schlagen lässt: ein Dach über dem Kopf (auch wenn unser Hostal gerade ausgebaut wurde, neben Baustellen zu hausen sind wir uns von der Aegertenstrasse ja gewohnt), ein grosser grüner Park (auf dessen Rasen sich das obligate Ankunftscola geniessen lässt, diesmal in luxuriöser Weise sogar von einem Kuchen begleitet), einen Bancomaten  (der schön brav chilenische Pesos ausspuckt) ein Internetcafé (um die Weiterreise zu planen) ein Restaurant, das Corsin glücklich macht (sprich, es hat Fleisch und Pommes im Angebot) und zu guter Letzt einen grossen Supermarkt, in dem wir unsere Vorräte spielend auffüllen können und der alles zu bieten hat, was man im Leben so braucht (Motorsäge mit diversen Kettenblättern, Joch (ja, diese Dinger, die man für ein Ochsengespann braucht), Schneefräse, Fischerstiefel etc.).

Über die Einteilung der nächsten – und gleichzeitig letzten – Teilstrecke haben wir uns lange den Kopf zerbrochen. Die Aufgabe bestand darin, mehr oder weniger flache (naja, auf den ersten 40km sind’s wohl schon an die 600m Steigung und die letzten 30km haben auch noch einen 400m Pass drin) 133 km (oder so, die Angaben waren auch hier unterschiedlich) bis zu einer Fähre, die dreimal am Tag um 10.00 Uhr, 12.00 Uhr und 18.00 Uhr fährt sowie anschliessende 100km mit an die 1‘000 Höhenmeter bis Villa O Higgins – dem nächsten Ort – in Tagesetappen aufzuteilen. Da Daniela irgendwie langsam älter und bequemer geworden ist, befürwortete sie eindeutig eine Variante mit lediglich zwei „Aussenübernachtungen“. Also war der Plan am ersten Tag acht Stunden zu fahren mit dem Ziel möglichst nahe an die Fähre zu gelangen, am zweiten Tag die Mittagfähre zu erwischen und noch einige der hundert Kilometer zu fahren und am dritten Tag dann in Villa O Higgins einradeln zu können..

Der Plan funktionierte perfekt, wir übten uns in diszipliniertem Radeln – losfahren in toller Morgenstimmung sowie mehr oder weniger auf die Minute genau alle Stunde eine kurz gehaltene Pause, in der Energie nachgetankt wurde. Auch die Schotterpiste war uns wohlgesinnt, sodass der Tacho manchmal sogar 20km/h anzeigte und wir in ein „Bikershigh“ gerieten. Wir schafften in 7h 39min 105, 8km – der höchste Schnitt unserer Tour – mal abgesehen vom Asphalt. Am Abend – im überraschend gemütlichen Camp auf einem Wieseninselchen am Flussbett im Wald – waren wir uns einig, dass es sich bei der heutigen um eine der schönsten Etappen gehandelt hat. Viel zu beschreiben gibt’s zwar nicht – auch Malte schweigt sich darüber aus – der Weg ist das Ziel, auch die Fotos sind nicht so aussagekräftig,  man kann’s eigentlich nur erleben. Wir entdeckten zudem neue Campingfeinde, diesmal waren es nicht die Viecher, die uns das Leben schwer machten, sondern so üble Pflanzen, die ihre Samen mit Vorliebe an sämtliche verfügbaren Textilien in Reichweite verhaken.

Unser nächster persönlicher Rekord betraf das Zusammenpacken am Morgen: 51 Minuten inklusive Zmorge essen – und das alles vor 7 Uhr! Wer uns schon einmal um diese Tageszeit erlebt hat, weiss diesen Rekord zu würdigen. Mit einem glatten Kaltstart ging es – immerhin – in Serpentinen die 400 Höhenmeter-Wand hoch. Da Corsin ein wackeres Tempo anschlug und sich die angegebenen 30km als 21km herausstellten, waren wir innert knapp 2 Stunden schon bei der Fähranlegestelle. So konnten wir anstelle der angepeilten 12 Uhr Fähre – die übrigens aus unerfindlichen Gründen kostenlos ist, aber wer will da schon länger nachfragen – schon diejenige um 10 Uhr nehmen. Und es reichte trotzdem noch locker, um uns am Kiosk an der Anlegestelle ein zweites Zmorge zu gönnen.

Wieder festes Land unter den Füssen, bzw. Rädern wurden der inzwischen geflügelte Begriff – steiler als anderswo – nochmals aktueller als uns lieb war. Zum Glück waren die Velomuskeln inzwischen ein bisschen trainiert und auch die brennende Sonne war uns ja ein bekannter Begleiter. Erstaunlich daran war aber vor allem, dass sich auf Corsins doch recht detaillierter Karte, die ansonsten wenig Raum für Überraschungen bot, keine einzige Höhekurve befand?!? War uns da eine Gebirgsfaltung neueren Datums entgangen oder hat jemand kräftig geschaufelt? Die Landschaft rund um uns herum erschien uns mit Sümpfen, Seen sowie lichten, bemooster Wälder nordischer denn je.

Unser privater Campingplatz war – wie immer fast, diesmal waren es wieder Viecher (Mücken, Fliegen, Raupen…), die uns plagten – perfekt: 20m neben der Strasse gelegen, auf einem satten grünen Rasen, neben einem Bach mit glasklarem Wasser und zu guter Letzt mit herrlichem Panorama auf einen Gletscher. Was will man mehr? Dank dem warmen Wetter und der Tatsache, dass es um diese Jahreszeit in diesen Breitengraden erst um 22 Uhr eindunkelt, hielten wir draussen ein Nachmittagsschläfchen und lagen auch nach dem Znacht lange vor dem Zelt auf unseren Mätteli und genossen die friedliche Stimmung.

Kurz nach dem Einschlafen war’s dann aber vorbei mit der friedlichen Stimmung: Corsin schreckt auf, ein Schnauben hat ihn geweckt. Das haben wir doch schon einmal gehabt: ja, die berühmte Bärengeschichte aus Kanada. Diesmal handelte es sich bei den Schnaubern aber um sieben Pferde, die auf ihrem Abendstreifzug wohl jeweils auf unserer Wiese ihr Bettmümpfeli zu sich nehmen. Corsin hatten beim Auswählen unseres Campingplatzes die frischen Pferdeäpfel schon stutzig gemacht, Daniela hatte aber grosszügig darüber hinweggesehen mit der Begründung, dass Pferde nicht einfach frei herumlaufen würden. Naja, in Chile scheint das anders zu sein. Auch wenn Pferde grundsätzlich wohl nicht so eine grosse Bedrohung darstellen, war uns nicht so ganz wohl bei dem Gedanke unseren Zeltplatz mit ihnen zu teilen. Das Blinklicht unserer Stirnlampe entpuppte sich dann aber als geeigneten Viehhüter. Natürlich funktionierte das nur solange als es auch dunkel war, auf dem Morgenstreifzug kamen die Pferde dann wieder vorbei, wobei ein erneuter Schnauber als Wecker für uns funktionierte.

Auf der gesamten Carretera waren die motorisierten Fahrzeuge eigentlich immer sehr rücksichtsvoll zu uns Velofahrern. Oft wurde auf Schrittempo hinuntergebremst, es wurde ein weiter Bogen um uns gemacht, der die Fahrzeuge fast in den gegenüberliegenden Strassengraben beförderte und wir wurden eigentlich immer mit einem fröhlichen Winken begrüsst. Auf den letzten 50km aber begegneten wir einigen rücksichtslosen Fahrern, wobei ein crazy Busfahrer, der uns gleich zweimal begegnete, eindeutig die Führungsposition einnahm. Wir wollten uns nicht vorstellen, was passiert, wenn er auf ein entgegenkommendes Auto oder eine der Kuhherden trifft, die ebenfalls ab und zu die Strasse benutzten. Apropos Kühe: wir verspürten langsam Stalldrang, was sich einerseits in Ungeduld in Sachen Warten bei Baustellen (Daniela) und andererseits in hohem angeschlagenen Tempo (Corsin) manifestierte. Das Ziel – Villa O Higgins – war schon bald in Sicht, noch musste aber eine 15km Schlaufe gefahren werden, da die Strassenbauer erst da (dieser Teil der Strasse existiert übrigens erst seit 1999) eine geeignete Stelle zur Überquerung des Flusses fanden. Selbstverständlich liess der Belag auf den letzten 10km dann auch noch zu wünschen übrig (ok, da waren wir inzwischen ein bisschen verwöhnt: Schotter ist nicht gleich Schotter).

In Villa O Higgins checkten wir im El Mosco ein – DEM Treffpunkt für Tourenradler. Schon von weitem ist dies erkennbar mit den diversen Fahrradteilen, welche die Hauswand schmückten. Villa O Higgins erinnerte uns an eine Cowboystadt – braunes Steppengras und Holzhäuser, wobei das El Mosco mit der breiten Veranda die perfekte Ranch abgibt. Zudem wehte ein trockener, warmer Wind.  Wir haben dann erfahren, dass dies nicht immer so ist, es hatte seit drei Monate nicht mehr geregnet – die längste Trockenperiode seit mindestens acht Jahren (solange lebt der Inhaber vom El Mosco schon dort). Villa O Higgins ist ein etwas seltsamer Ort – errichtet wurde er künstlich, um den chilenischen Gebietsanspruch zu demonstrieren. Lange Zeit war der Ort lediglich mit Flugzeugen erreichbar, bis dann eben 1999 die Strasse gebaut wurde. Nach wie vor handelt es sich für motorisierte Fahrzeuge um eine Sackgasse – dazu aber im nächsten Blogeintrag mehr. Nach unserem bei „Frühankunft“ üblichen Mittagsschlaf tauchten diverse andere Radler auf, sodass am Abend in der Gemeinschaftsküche (unser selbstgekochter Znacht aus allem, was der Dorfladen hergab: die Omletten mit Guacamole waren erste Klasse) riesiger Betrieb herrschte.

Blogtitel der Woche: Wie ist’s eigentlich zum Blogtitel „Hele dag regen“ im letzten Eintrag gekommen? Ja, von unseren Regentagen auf der Carretera haben wir zwar geschrieben, aber warum in aller Welt ist der Titel in Holländisch? Eric und Carla, die radelnden Niederländer, die wir auf dem Salar getroffen hatten, haben uns per Mail das Logbuch ihrer Radreise auf der Carretera geschickt. Sie waren daher unsere stetigen Begleiter: in Bezug auf die Distanzen hatten wir perfekte Angaben (was wir von denen auf den Karten nicht behaupten können), ab und zu übernachteten wir auch in den Unterkünften, die Eric und Carla schon getestet hatten. Zudem gab’s im Logbuch auch immer Bemerkungen zum Wetter – vor allem im zweiten Teil der Carretera stand da eben überwiegend „Hele dag regen“. Wir warteten dann eigentlich immer darauf, dass dies auch bei uns einmal eintreffen würde, zum Glück aber vergebens und schon bald wurden „Hele dag regen“ für uns zu geflügelten Worten…

















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