Sonntag, 22. Januar 2012

hele dag regen

C: „Kalter Regenwald“ - nun wird die Klimazone ihrem Namen gerecht. Und wir, in Sachen Regen auf dem Velo noch etwas grün hinter den Ohren, ziehen mal kurz ein dünnes Windjäckli über und sind natürlich bald pflotschnass. Die sandige Strasse lässt unsere Ketten „chrosen“ und die Bremsgriffe lassen sich nach jeder Abfahrt noch etwas mehr an den Anschlag ziehen. Zum Glück haben wir uns heute mal eine kurze Etappe und Morgen einen Ruhetag vorgenommen und so klopfen wir schon bald beim Casa Ludwig in Puyuhuapi an. Übrigens, so wie auf dem Bild hat sich das Haus tags drauf nur während 5 Minuten präsentiert, den Rest der Zeit, die wir dort verbrachten, hat es in Bindfäden geregnet.

Luisa Ludwig, die Tochter einer der 5 deutschen Freunde, die 1935 hierher in den Urwald ausgewandert waren und den Ort gegründet hatten, verfrachtet uns gleich in die Werkstatt, wo wir uns und unser Material trocknen können, bevor wir uns im gemütlichen Holzhaus und unserem Dachzimmerkämmerchen einnisten und uns in der hölzernen Stube aufwärmen. Das Dorf ist niedlich, aber ziemlich verschlafen – wir haben Mühe, ein Restaurant zu finden, das geöffnet hat und als wir dieses dann gefunden und gestürmt hatten und uns aus der Menuekarte etwas Schönes ausgesucht haben, meint der Kellner, es gebe nur Lachs mit Pommes. Für Daniela, die Fisch nicht gern hat, gibt’s halt nun Pommes ohne Lachs…
Den Ruhetag verbringen wir mit nicht vielem – ausschlafen, lesen und uns mental darauf vorbereiten, am nächsten Tag bei strömendem Regen loszufahren – und natürlich wieder: Essen suchen. Die Tiendas haben alle geschlossen – die Restaurants noch mehr und so landen wir wieder in unserem Restaurant vom Vortag. Nachdem wir mit dem Kellner auf Spanisch glaub‘s über die verschiedenen Kuchenarten gesprochen haben und einen bestellen möchten, meint er, es gäbe nur Lachs und Pommes – aha. Der Rest sei drum ausgegangen, da der Lastwagen mit den Lebensmitteln nur jeden Dienstag komme und diese Woche der Dienstag ein Feiertag war. 

Nun gut, dann eben Notprogramm: Brot backen mit unserem 1kg Reservemehl, das wir in Uyuni gekauft haben und das Corsin über 800km auf dem Velo durch die Wüste und den Regenwald mitgeschleppt hat und dessen von ihm gestellte Ultimatum eben diese Tage definitiv abläuft. Leider stellt sich heraus, dass Maismehl in Bolivien nicht gleich Maismehl in der Schweiz ist und sich daraus nur bedingt Pan-Brot herstellen lässt – und ein Kilo von den komischen Fladen ist dann schon auch gleich genug.
  



Und dann kommt die Stunde der Wahrheit – in einer Regenlücke schiessen wir vollbepackt aus der Werkstatt und biegen wieder auf das 4m breite und 1300km lange Kiesband ein, welches in dieser Region von Vorunsberadlern als Traumstrasse bezeichnet worden war.. Bald ist der Regen zurück und es giesst mehr oder weniger den ganzen Tag wie aus Kübeln – zum Schutz der Kameras gibt es von diesem Abschnitt auch nicht viele Fotos. Nachdem wir uns über angenehme Kehren auf einen 600m hohen Pass gekurbelt haben, begleitet uns ein Hagelgewitter während der gesamten Abfahrt und unsere Finger und Füsse sind trotz Winterhandschuhen dermassen durchgefroren, dass wir nix mehr spüren. Und wieder einmal pausieren wir in einer Bushaltestelle…

Weiter geht’s auf Asphalt – immerhin. Orte gibt es nicht viele auf dem Abschnitt und als wir in Villa Amengual - immer noch bei strömendem Regen – ankommen und die drei ersten Hostals des kleinen Kaffs alle voll sind, werden wir doch etwas unruhig und sehen uns schon fast unser Zelt im Regen aufstellen. Doch irgendwie finden wir doch noch ein trockenes Bett in einem kleinen Hostal – wo wir zwar die Kleider nicht im Zimmer trocknen dürfen, sondern diese draussen unter dem Vordach auskühlen lassen und am nächsten Tag nass anziehen müssen. Aber was soll‘s – immerhin ist es so warm, dass wir gegen Abend unsere Füsse wieder spüren und in der zweiten Nachthälfte auch irgendwann nicht mehr frieren. Ah ja, und zum Znacht gibt’s – richtig – Pollo!

Tags drauf ist’s dann zwar trocken und nur teilweise etwas nieslig, aber saukalt – in der Nacht hat es bis ca. 500m hinuntergeschneit. Wir haben uns heute eine kurze 60km-Etappe auf Asphalt vorgenommen. Aber als wir schon nach 3 Stunden in Manihuales ankommen, entscheiden wir uns doch noch etwas weiterzufahren und auf ein Cabana entlang der Strecke zu hoffen. Schon kurz darauf bläst uns ein mässiger Gegenwind entgegen und wir überlegen un,s ob wir nicht umkehren sollen – Daniela zieht aber mutig durch. 

Spezieller Belag...
Nun gut, das Cabana lässt auf sich warten und bei 100km meint ein Taxifahrer, es kämen Cabanas in 12km – diese sind aber voll – dann folgt der Campingplatz weitere 6km weiter, der ist schon zu. Wir müssen uns entscheiden: Wildcampen oder noch 30km bis Coihaique durchziehen? Wer uns kennt, weiss natürlich, was wir entschieden haben und so wird die kurze Etappe schlussendlich 150km und 8.5h lang – eine Etappe ganz nach Corsins Geschmack (aber auf Danielas Initiative – übrigens ihre (bis jetzt) längste Velotagestour in diesem Leben).

Die Tatsache, dass wir gerade zwei Etappen am Stück durchgezogen haben, beschert uns einen weiteren Ruhetag und wir machen einen gründlichen PD/ID: die Bikes erhalten teilweise neue Bremsbeläge und wir kaufen gleich noch Reservebeläge ein für den Fall, dass wir noch weitere Regentag erwischen. Unsere Sitzwunden werden gepflegt und im riesigen neuen Supermarkt verfallen wir kurz wieder dem Kaufrausch, was uns unter anderem ein Pack Lindorkugeln für CHF 12.- beschert  - OK, wenn wir den Preis vorher gewusst hätten, hätten wir darauf verzichtet, da die anscheinend von Europa eingeflogen werden…

Und zum Schluss müssen wir noch genügend Bargeld organisieren für die nächsten rund 2 Wochen – chilenische und argentinische Pesos – und unsere eisernen Reserven an amerikanischen Dollars wieder auffüllen. Und ja, lieber Herr Hildbrand, wenn Ihre Frau die Dollars in Chile gekauft hätte, dann wären Sie wohl heute noch im Amt beziehungsweise Ihre Frau noch immer mit Wechseln beschäftigt - bis wir unsere 200 Dollars hatten, wurden wir an 6 verschiedene Schalter verwiesen und die ganze Prozedur dauerte bei uns rund dreiviertel Stunden – hochgerechnet auf Ihre 504‘000 Dollar würden das dann 2 Jahre und 2 Monate dauern…

D: Bereits beim Losfahren schien die Sonne schon warm auf den Pelz, bzw. den Rücken. Corsin‘s Fernblau war nicht vom Himmel zu unterscheiden und wir flogen geradezu auf dem Asphalt dahin. Wie in den diversen Blogs und Berichten angekündigt, ändert die Vegetation nach Coihaique schlagartig und es wird trockener und steppiger. Wieder einmal trafen wir bereits um 13 Uhr an einem möglichen Übernachtungsort – diesmal ein lauschiger Zeltplatz an einem See – ein. Eher alibimässig führten wir eine rasche Pro und Contra Diskussion durch, der geneigte Leser ahnt: wir fuhren weiter. 




Die Route führte uns auf den mit 1120 m.ü.M. höchsten Punkt der Carretera, wobei wir es uns nicht nehmen lassen, dies mit einem „Gipfelfoto“ zu feiern. 








Die Abfahrt ist dann ein spezielles Highlight, denn diese führt die berühmte Kurvenstrasse, deren Foto in keinem Bericht über die Carretera fehlt, hinunter. Allerdings ist der Blick vom Aussichtspunkt oben viel spezieller als dann die Fahrt nach unten. Runterfahren ist halt einfach runterfahren.

Auf den nächsten Ort – Villa Cerro Castillo – waren wir sehr gespannt. Malte – der Verfasser vom Reise Know How Chile (der regelmässige Blogleser erinnert sich vielleicht, dass wir diesen an Weihnachten kennengelernt hatten), der uns schon viele gute Infos und Tipps gegeben hatte, kündigte an, Villa Cerro Castillo habe sich „in den letzten Jahren zu einem adretten Touristenzentrum entwickelt“. Dort angekommen, waren wir versucht, das Ortsschild ein zweites Mal zu konsultieren, ob wir denn wirklich im richtigen Dorf waren, Malte war glaubs nie da…

Adrett (Bedeutung laut Wiktionary: freundlich, ordentlich, schön) war eigentlich vor allem eines: die Landschaft, wobei der Cerro Castillo mit seinen Spitzen und Zacken alles überstrahlt. Wir logierten im „best hotel in town“ (was zwar stimmen mag, bei uns aber etwas andere Vorstellungen geweckt hatte…), das gleichzeitig auch das „best restaurant in town“ war. Danielas Burger konnte sich immerhin in Sachen Grösse sehen lassen. Ab Coihaique ist übrigens die Welt noch in Ordnung: es gibt keine Zimmerschlüssel mehr, die lapidare Erklärung lautet: es passiert nichts. Aha.

In Villa Cerro Castillo rollten wir über den letzten Asphaltstreifen der Carretera (mal abgesehen von den Brücken), von nun an wurden die Gestelle von allen Vieren der Reisegruppe wieder gefordert. Die nächsten Kilometer sind berüchtigt für heftigen Gegenwind, wir wappneten uns, warteten dann aber eigentlich den ganzen Tag darauf. Mitten im Wald trafen wir auf die erste Ranch, ein Bild, das uns in den nächsten Tagen oft begegnen wird: ein Wohnhaus, diverse Scheunen, Lichtungen, Kuh- und Pferdeherden und der nächste Nachbar mindestens 10km entfernt. Sehr hübsch, aber schon ein bisschen ab vom Schuss…Im Tal des Río Ibáñes konnten wir den „Bosque Muerto“ bestaunen: dieser ist das Resultat des Ausbruchs des Vulkans Hudson in 1991. Für die Natur ein verheerendes Ereignis uns gefiel jedoch das Bild, das sich nun daraus ergibt. Ein weiterer positiver Effekt: der plattgedrückte Aschebelag führt teilweise dazu, dass man auf der Strasse wie auf Asphalt dahinrollen kann.

In Corsin‘s Magen wurde nach der Mittagspause mal wieder kräftig rebelliert (mit allem Drum und Dran, wir ersparen euch weitere Details). Die nach dem Ausschlussprinzip übrig gebliebenen möglichen Übeltäter (Salami und Käse) wurden der Kompostierung übergeben und wir machten uns daran, nach einem Platz zum Campieren Ausschau zu halten. Da wir daran einige Ansprüche knüpften, dauerte es dann aber doch noch eine ganze Weile bis etwas Passendes gefunden war. Der Zeltplatz am Río Murta konnte sich dann aber sehen lassen…

Mit Rückenwind, etwas Neigung und guten Belag radelten wir zügig unserem nächsten Etappenziel – Puerto Río Tranquilo entgegen. Mit einem Schweizer Radler-Pärchen, das in der Gegenrichtung unterwegs war, erfolgte der obligate Austausch über die jeweils vor einem liegenden Strecken. Dieser rege mündliche Infoaustausch (trafen wir doch pro Tag meistens mindestens einmal Velöler) – so hat wohl die Nachrichtenübermittlung vor den modernen Kommunikationsmittel funktioniert – führt dazu, dass man immer auf dem neuesten Stand über die Strecke ist und diverse Tipps und Tricks werden überliefert. Allerdings hat es natürlich auch seine Tücken (siehe später im Bericht…). Immerhin wurden wir nicht von der schlechten (da neu gekiesten und daher holprigen und rutschigen) Strasse ab Puerto Muerta überrascht. Hat’s zwar nicht besser gemacht, dafür wurden wir mit dem tollen Panorama und dem Blick auf den türkisfarbenen Lago General Carrera (dem zweitgrössten See Südamerikas) entschädigt.

In Puerto Río Tranquilo quartierten wir uns auf Tipp von Malte mal wieder im „best hotel in town“ – dem El Puesto - ein. Dieses hat diesen Namen aber auch verdient! Ein Ort, um richtig die Seele baumeln zu lassen. Die Zeit bis zum Nachtessen verbrachten wir auf einem Bänkli in der Sonne am See – herrlich. Im El Puesto konnten wir auch Znacht essen, edel mit Vorspeise und Dessert und so – nach Möglichkeit mit Produkten aus dem Garten – nur scheint sich der Koch der homöopatischen Lehre verschrieben zu haben…

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