Donnerstag, 16. Februar 2012

Hät er Wanderwätter?!

Management Summary: Ja, es windet. Und: ja, es regnet. Und: ja, es ist kalt. Und: ja, es schneit. Und: ja, manchmal auch alles miteinander. Und: ja, genau: wir zelten. Und: nein, es macht nicht immer Spass – aber fast.

C: Die Ankunft in El Chaltén trifft uns wie eine Faust – direkt vom „Himmel in die Hölle“ geht es mir durch den Kopf: Nachdem wir so idyllisch und friedlich am Lago de Desierto gecampt haben, kommen wir leicht müde an, steuern das Hostal an in welchem wir per Mail für ein Zimmer angefragt haben – sie meinen aber, sie hätten nichts frei und drum auch nicht auf unser Mail geantwortet. Auch die nächsten Unterkünfte, die wir angehen, sind voll. Daniela sticht ins Grand Rancho rein und als sie die Tür öffnet, dringt grosser Lärm durch den Türspalt. Sie kommt aber mit einem Zimmerschlüssel für eine Nacht wieder hinaus und als ich eintrete haut’s mich fast um: gefühlte 100 lärmige Jugendliche bevölkern die Eingangshalle und wuseln in einer fremden, unverständlichen Sprache lärmend durcheinander und wir sind froh, als wir die Zimmertür hinter uns zuziehen können.

Als aber dann im Restaurant „Como Vaca“ (frei übersetzt: ich esse eine Kuh) 500gr vaca auf meinem Teller liegen, sind wir endgültig in Argentinien angekommen und wieder versöhnt. Dort treffen wir dann auch wieder die ganze Meute, die wir die letzten Tage auf dem Schiff und am Lago de Desierto immer wieder getroffen haben. Noch am gleichen Tag organisieren wir auch alles, was wir für die nächste Woche brauchen: wir finden ein Cabana zum gleichen Preis wie für unser Doppelzimmer für die nächste Nacht und die zwei Nächte nach unserer Wanderung, buchen den Bus für uns alle vier nach El Calafate plus Unterkunft und Gletschertour. Die erste Busgesellschaft wollte unsere Bikes einzeln hinterherschicken, weshalb wir eine andere Gesellschaft suchen mussten, da wir uns unmöglich von unseren zwei Weggefährten trennen würden. Und für die Strecke weiter nach Punta Arenas wollten sie uns auch kein Billet verkaufen – das müssen wir dann vor Ort schauen – reisen mit Bike geht immer irgendwie, ist einfach manchmal etwas eine Zitterpartie.

Den folgenden Ruhetag verbringen wir in unserem Cabana mit dem was man am Ruhetag halt so tut: Schlafen, essen, schlafen, lesen, schlafen, mit dem Büro mailen, Carcasonne spielen auf dem iPhone und spanisch lernen (=spanisches TV schauen).



 
Mit dem Bus fahren wir bis zum Rio Eléctrico und sind zweifach froh, dass wir hier schon mit dem Velo durchgefahren sind: 1. Merken wir, dass der Buschauffeur vergessen hat an unserem Trailhead anzuhalten und 2. Wissen wir, wie die Berggipfel hier aussehen würden, wenn man sie dann sehen könnte. Oftmals hörten wir „Stahlberger“ auf unseren Kopfhörern und da das Lied „hüt het er Wanderwätter“ und dieses läuft uns auch prompt nach, als wir voller Elan zügig losmarschieren auf unsere 3-tägige Wandertour am Fitz Roy. Nur glaube ich, dass sich der Herr Stahlberger unter Wanderwetter etwas anderes vorstellt als das, was uns da heute ins Gesicht klatscht…


Wir spielen mal wieder „Um wie viel können wir die angegebenen Marschzeiten unterbieten“ und das ziemlich erfolgreich – bis zu 50% schauen heute raus – zumindest zu Beginn. Wir wandern mit Vollpackung entlang eines Singletrails mit Quadspuren zu einem Refugio. Dort müssen wir einen Wegzoll von CHF 15.- pro Person entrichten um weiter ins Tal wandern zu dürfen – es sei eben Privatland. Bald schon stehen wir aber an einem Bach, den wir nicht trockenen Fusses überqueren können. Da wir auch nicht sicher sind, ob uns der Wind dort hinten im Tal nicht endgültig von den Füssen bläst, drehen wir wieder um und machen einen kurzen Abstecher zu naheliegenden Gletschersee. Dort liegen mehrere einfamilienhausgrosse Steinblock in frischen Bruchsteinen auf dem Weg – diese müssen in den letzten drei Tagen runtergekommen sein - und so machen wir uns zügig aus dem (nassen) Staub und sind schon nach gut einer Stunde wieder zurück im „Zollhaus“.

Da es inzwischen in Strömen regnet, wärmen wir uns kurz auf und gönnen uns einen Tee und einen Apfelkuchen. Wir staunen nicht schlecht über den stolzen Preis und entnehmen aber dem Gespräch der Leute am Nachbartisch, dass der Kaffee CHF 8.- und der Kaffee mit Milch CHF 15.- koste… 



Wir ziehen weiter wieder das Tal hinaus – der Weg wird immer schlechter und bald schon klettern wir über riesige Felsblöcke und kilometerweise in einem Bachbett – einzig einige Steinmännchen weisen uns den Weg. Irgendwann schiesst mir der Satz, den ich irgendeinmal irgendwo aufgeschnappt hatte, durch den Kopf: „Core Tex sei der grösste Marketingbetrug der Geschichte“ während mir das Wasser den Rücken hinunter in die Schuhe läuft.








Im Campamento Pincenot stellen wir entgegen unserer allgemeinen Regel „wenn es regnet, wenn wir auf einem Zeltplatz ankommen, dann gehen wir ins Hotel“ (Anmerkung von D: die Regel wäre bestimmt eingehalten worden, wenn es dann dort ein Hotel gehabt hätte…) unser Zelt auf dem schlammigen Boden auf (hätten wir doch den Footprint mitgenommen, leider war er der Gewichtsoptimierung zum Opfer gefallen).

Wir stellen nach einiger Zeit erstaunt fest, dass in all den anderen 25 Zelten, die schon da stehen, wirklich überall Leute drin sind. Hier merkt man, dass wir in der Disziplin „Camping bei Regenwetter“ noch blutige Anfänger sind und ahnen noch nicht, dass wir in den nächsten Tagen zu echten Profis darin werden. 



Tags darauf ziehen wir „light“ (=mit kleinem Rucksack, ohne das ganze Campingzeugs) hoch zum „Lago de los Tres“ am Fuss des Fitz Roy. Über Nacht hat es bis auf rund 400m runtergeschneit und auch etwas aufgeklart, aber die Gipfel und der Fitz Roy entziehen sich konsequent unserem Blick – da hilft auch längeres Warten nicht. Immerhin werden unsere Kleider wieder einigermassen trocken (der Wind hat auch sein Gutes) und wir kampfwandern wieder mit Vollpackung weiter zum Campo Agostini. Die 200 Stunden auf dem Velo und unser zugegeben etwas gächer 7 stündige Einstieg ins Wanderleben tags zuvor, ging nicht spurlos an uns vorbei und so klagen wir beide über Knieschmerzen („Du, Daniela, wir müssen dann einfach aufpassen, dass wir dann merken wenn wir so alt werden, dass wir die angegebenen Marschzeiten nicht mehr einhalten können, gell“).

Und heute lernen wir zwei weitere Backcountry-Camping-Tricks kennen: 1. Benzinflasche fest verschliessen, denn sonst läuft das Benzin in den Rucksack aus. 2. Das Sichwaschen im Camp ist viel weniger unangenehm, wenn man das Waschwasser vorher auf dem Kocher kocht – ist fast schon wie eine heisse Dusche. 



Tags drauf wandern wir hoch zum See am Fuss des Gletschers in der Hoffnung den Namensgeber von Danielas Rucksack doch noch zu erblicken, doch der Cerro Torre blieb den ganzen Tag verhüllt. Auf dem Rückweg treffen wir viele Tagestouristen wie tags zuvor im Wissen, dass diese gemütlich im Hotel übernachtet hatten. Beim letzten Aussichtspunkt auf die Wolkenwand hören wir schweizerdeutsche Stimmen, kommen mit diesen ins Gespräch und wandern den Rest des Rückwegs plaudernd zusammen mit Nicole, Philipp und ihrer Kollegin zurück in die warme Waffleria, wo wir bei Waffeln und Eis den Nachmittag verbringen. 




Immer wieder lasen wir in Reiseführern und auf Blogs abschlägige Bemerkungen zu touristischen Orten – „touristisch“ ist immer leicht negativ behaftet. Wir beide hingegen haben auf unserer Reise die touristischen Orte schätzen gelernt: den meist wird ein Ort „touristisch“ weil die Umgebung schön ist und es etwas zu sehen gibt und meist ist das, was das „touristische“ ausmacht auch das, was den Aufenthalt angenehm macht – warme Duschen, gute Restaurants, saubere Strassen und eben zum Beispiel eine Waffleria. Klaro hat es dort auch mehr Leute als anderswo aber soo viele, dass sie das ganze Erinnerungsfoto ausfüllen sind es dann auch wieder nicht. Also, wir zwei sind zwischendurch auch mal richtige Touristen und stehen dazu.

Bevor es mit dem Bus nach El Calafate geht, ziehen wir nochmals einen Ruhetag rein mit einem reichhaltigen selbstgemachten Brunch im eigenen Cabana, mit einem gründlichen PD/ID (für alle die nicht im Militär waren Parkdienst / Innerer Dienst): Velo reinigen mit dem ausgeliehenen Hochdruckreiniger des Hotels (jaja, tut den Velos nicht gut, ich weiss – aber sauber wird’s), Velos mit Weinkartons so umwickeln, dass sie geschützt sind, sich aber doch noch schieben lassen, Zelt und Material trocknen, Kleider waschen (lassen), packen und natürlich mit schlafen, lesen, schlafen, lesen und Carcasonne gamen. Das Busdepot unseres Busunternehmens liegt gerade al frente von unserem Hotel und wir hauen den Buschauffeur an, ob wir bereits hier einsteigen können und sparen uns so die mühsame Plackerei mit unserem Gepäck an den Busbahnhof.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen