Dienstag, 6. Dezember 2011

Vanomos!

Beim Verlassen von Copacabana trafen wir die ersten Türeler, ein polnisches Pärchen auf dem Tandem welches gerade am Strassenrand am Frühstücken war. Nach einem kurzen Austausch der Route der Blogadressen fahren wir weiter über den schönsten Teil der Strecke am Titicacasee mit wunderbarem Blick auf die östlichen Andengebirgskette. (www.tandempl.wordpress.com)

Bei Tiquina, einer 800m breiten Schmalstelle des Titicatasees setzen wir wie die Busse, Lastwagen und Jeeps auf einer holzigen Fähre über. Die Fähren stehen zu dutzenden herum und wir fragen uns, ob es nicht einfacher wäre einfach alle zu einer schwimmenden aneinanderzubinden. Dauernd sind etwa zehn davon auf der Überfahrt, angetrieben von einem einzelnen kleinen Aussenbordmotor und manövriert von einer einzigen Person welche ab und zu das Wasser ausschöpft. Das Anlegen geht dann so: Vollgas geben. Motor abstellen. Ruder voll einschlagen. Nach vorne Laufen. Mit einer Holzlanze versuchen den Kahn wieder gerade zu drehen. Den Aufschlag abwarten. Eine Ecke mit einer Eisenkette festbinden und dann den ganzen Kahn alleine geradeziehen. Funktioniert.  

Am Nachmittag treffen wir dann in Huatajata ein, dem Ort mit dem höchstgelegenen Yachtclub der Welt. Gemäss unserem Reiseführer sei in den Museen und in der Schiffswerft sehr vieles zu sehen und zu erleben. Das Kaff ist aber total ausgestorben und scheint seine Blütezeit hinter sich zu haben – das Restaurant in unserem „Hotel“ ist leergeräumt und wir sind die einzigen Touristen und zweimal die einzigen Gäste im nahegelegenen Restaurant des 5-Sterne Hotels. Das starke Gewitter am Abend verstärkt noch die trostlose Stimmung des Ortes und wir fragen uns was wir hier eigentlich tun… Wir sind wieder in einer Zwischenstation gelandet wie sie eben nur Veloreisende ansteuern.

Bei strahlendem Sonnenschein testen wir am nächsten Morgen bei unserem ersten Stundenhalt den Benzinkocher – andere Radler haben berichtet, dass das bolivianische Benzin ihren Kochern Probleme bereitet hatten, da in Bolivien kein Bleifreibenzin verfügbar sei und wir wollen sicher sein, dass das Ding dann auf der Lagunenroute auch funktionieren wird. Wir haben aber noch Peruanisches Super-Benzin im Tank und der Kocher geht ab wie eine Rakete. Corsin macht einen weiteren unfreiwilligen Schritt Richtung Vegetarismus und beisst sich am Pausenbrot ein Stück seines Eckzahnes, welcher den Menschen eigentlich als Fleischfresser auszeichnet – da wird seine Zahnärztin im März ihre Freude haben…

Die letzten 80 Kilometer nach La Paz sind langweilige Altiplano-Gegenwind-Bolzerei. (Sogar unsere Räder legen sich bei einer Pause beide hin). Corsin lernt zuerst fleissig Spanischwörtli und Daniela flucht dann im Windschatten über seine Tempoverschärfung als er im Kopf Gigathlon-Strecken ausheckt und sich in die Gigathleten hineinversetzt fühlt wie sie über die flowigen Trails und seidenfeinen Schweizer Passtrassen fliegen werden… Der Hunger kommt nach drei Monaten Auszeit langsam zurück…

El Alto, der Vorort von La Paz beginnt bereits 20km vor der Stadt – reges geschäftliches Treiben entlang der immer breiter werdenden Strassen und der zunehmende Autoverkehr kündigt uns die Metropole an. Plötzlich scheint es, als würden die Autos und Minibusse alle verschwinden und die Fussgänger das Zepter übernehmen – und so ist es auch: Wir haben immer wieder von den Streckenblockaden und Streiks rund um die Hauptstadt gehört und so ist an diesem Tag die 6 spurige „Hauptobahn“, die Schlagader von La Paz durch Busse und Lastwagen blockiert. Alle Collectivos – die Sammeltaxis welche 80% des Verkehrs in La Paz ausmachen - wenden vor der Blockade. Mitten in der Blockade treffen wir die beiden Polen auf ihrem Tandem wieder und fahren mit ihnen zusammen in die Stadt hinein. Wir kommen mit unseren Rädern kaum durch, da auf der anderen Seite der Blockade der Verkehr völlig stillsteht und wir werden von den Collectivos regelrecht nach vorne geschubst.

Und plötzlich liegt sie uns zu Füssen – die wohl verrückteste Stadt Südamerikas: vom Abbruch des Altiplanos auf 4050m.ü.M kleben tausende Backsteinhäuser an den Böschungen eines riesigen kraterähnlichen Tals bis hinunter auf 3100m! Wir schiessen die 12! Kilometer auf der leeren Autobahn hinunter in die Stadt – müssen einzig aufpassen vor findigen Collectivofahrern die uns auf dem Pannestreifen entgegenkommen um kurz vor der Blockade Passagiere aufzunehmen und zu wenden. 

Im Zentrum fahren dann mangels Ortskenntnissen konsequent gegen den Einbahnverkehr um zum Chuquiago Cafe zu gelangen. Das ist der Treffpunkt der Tourenradler aus aller Welt La Paz, ein Internetcafé geführt von einem Deutschen mit einem „Casa de ciclistas“ wo Tourenradler in einer Privatwohnung günstig unterkommen können. www.conitzer.de/cdc. Da aber bereits acht Radler dort sind beziehen wir ein Zimmer in einem nahegelegenen Hostal und kehren für den phänomenalen Schoggikuchen und den Erfahrungsaustausch mit den anderen Radlern immer wieder ins Café zurück.

Nachdem wir uns einen Tag in La Paz eingelebt haben mit Busreservieren, Veloshopdenesnichtmehrgibtsuchen, Vergebensvelokartonsuchen, Durchdenmarktschlendern, Stadtrundgang und Deathroadtourbuchen ziehen wir einen weiteren Ruhetag ein und diesmal meine ich Ruhetag ohne Ruhe und so  langweiligem Zeugs, sondern Ruhetag mit lockerer aktiver Erholung: einem Downhill über 3500m und 64km auf der „gefährlichsten Strasse der Welt“, der „Death Road“: Das All-Inclusive Touristenprogramm beginnt mit einem Frühstück um 06:30 Uhr und dann geht’s mit dem Minibus, unserem Guide und unserem Fahrer auf den Cumbre Pass auf 4700m.ü.M.

 
Dank Nebensaison haben wir eine Privattour, nur wir zwei Beiden. Wir montieren eine monstermässige Downhillausrüstung mit allem was dazugehört (Protektoren, Motorradhosen und Jacke, Integralhelm und Scott-Brille). Die Bikes fühlen sich mehr an wie Motorräder und haben einen gefühlten halben Meter Federweg.




„Vanomos!“ ruft der Guide und dann geht‘s auf der asphaltierten Passtrasse rund 1400 Höhenmeter abwärts – ok, 20mm Federweg sind hier doch etwas übertrieben, aber über die Motorradausrüstung sind wir froh, ist’s doch trotz strahlend blauem Himmel empfindlich kalt. Für die kurze Zwischensteigung von 8km wird das Bike verladen – wir denken uns das hätten wir auch fahren können, merken dann aber bei den Gegensteigungen am Schluss der Tour dass der Motocrosstöff doch einiges weniger gut steigt als das Scott Spark zu Hause im Keller…  


Quelle:Internet
Die Death Road ist eine einspurige Kiesstrasse in extrem unwegsamem und steilem Gelände und wurde bis vor 3 Jahren noch als Hauptstrasse von Lastwagen und Autos befahren. Ein Kreuzen war selten möglich und an gewissen Stellen geht es bis zu 1000m senkrecht hinunter. Heute wird sie nur noch von Touristen mit Autos oder eben mit dem Bike befahren. 








Rund 20 Touranbieter buhlen um die Kundschaft, die Packages sind bis ins Detail ausgereift und man erhält alles was man benötigt inklusive einem kleinen „all you can eat – Buffet“, Duschen und Badetuch, Erinnerungs-Shirt und Foto-CD am Schluss der Tour. Die Guides seien angeblich in Erster Hilfe inklusive Seilrettung ausgebildet. Unser Guide von machte uns aber nicht den motiviertesten Eindruck wahrscheinlich aufgrund der Kombination von 2000! Abfahrten in zehn Jahren, der Nebensaison und der kleinen Gruppengrösse. Uns schien, er hoffte möglichst bald wieder zurück zu sein was wir Dank Danielas zügigem Fahrstil dann auch waren… Die Abfahrt ging dann trotz Federgabel ziemlich in die Arme. Technisch war sie nicht besonders anspruchsvoll aber das steilabfallende Gelände und die Wasserfälle die über die Strasse gingen waren sehr eindrücklich.



Zu Ende geht die Fahrt mitten in den tropisch warmen Yungas, dem Gebirgsregenwald auf 1200m.ü.M. wo es tropisch warm war und eine kalte – und diesmal waren wir froh um eine kalte – Dusche auf uns wartete. Die zweieinhalbstündige Rückfahrt auf der vor drei Jahren eröffneten „neuen“ Hauptstrasse war dann auch eindrücklich – 3500m durch alle Klimastufen, vorbei an „Geologisch instabilen Sektoren“ mit bereits wieder abgerutschter Strasse und durch die Wolkendecke hindurch zurück ins strahlend blaue Hochgebirge zu kurven war eindrücklich.
 
Auch wenn es auf der Tour ja eigentlich nur abwärts gegangen ist (und allerhöchstens die Muskeln der Bremsfinger beansprucht worden waren) und nur der Minibus die Höhenmeter wieder hinaufgekeucht ist, sind wir nach der Rückkehr nach La Paz ziemlich geschafft. Im Tour-Pakage ist zum Abschluss ein Getränk im Cafe offeriert, das wir im Halbschlaf zu uns nehmen. Plötzlich schiesst Corsin wie von der Tarantel gestochen aus dem Cafe auf die Strasse hinaus...und kehrt mit Alain und Melanie - unseren wackeren (nicht abschüttelbaren) französischen Mitinkatrailern - im Schlepptau zurück. Wie die (südamerikanische) Welt doch klein ist...Wir tauschen die Reiseerlebnisse aus und verabschieden uns dann - Alain und Melanie rüsten sich für eine 48h-Busreise nach Buenes Aires - um rund drei Stunden später im Restaurant, das wir zufälligerweise fürs Nachtessen ausgesucht hatten, noch einmal aufeinanderzutreffen. Das Restaurant stehe im französischen Reiseführer, womit sich für uns auch das Rätsel gelöst hatte, weswegen auf der Speisekarte alles auf Französich angepriesen wurde...
Am Montagmorgen - mehr oder weniger ausgeschlafen und motiviert - machten wir uns noch einmal auf die Suche nach den begehrten Bikekartons. Wie befürchtet bremsten uns zunächst die bolivianischen Arbeitszeiten...Vor neun Uhr ist mal gar nix zu wollen. Dafür kam Daniela zu einem von ihr geliebten ausgiebigen Frühstück. Schnitzeljagdmässig wurden wir vom Office von Gravity im Zentrum in dasjenige im Wohnquartier geschickt (bei dieser Gelegenheit erkundeten wir gleich auch die "besseren" Wohngegenden von La Paz: die Strassen sind alleemässig mit Baumen gesaumt, die Hauser sind verputzt (!) und haben Vorgärten...) und von dort aus gings weiter in die Werkstatt. Da waren wir zunächst mal baff erstaunt: die Werkstatt ist riesig und es stehen so rund 100 Bikes rum, zudem ist alles vorhanden, was das "Schrübler's"-Herz begehrt. Corsin kriegt gleich glänzende Äuglein. Ohne Probleme (für je 100 Bolivianos (zum Vergleich: das Hostalzimmer kostet 70 pro Nacht)) kriegen wir da endlich auch die heissersehnten Bikekartons...Corsin erzählt den Jungs dort die (ihn stark mitnehmende) Geschichte des Velos eines Engländers, den wir im Chuquiago Cafe getroffen hatten: der Flug hatte der Gabel ziemlich arg zugesetzt. Der Mech deutet nur in die Werkstatt: auch dieses Rad hat den Weg zu Gravity gefunden. Sehr zum Leidwesen des Engländers, den wir später im Cafe wiedergetroffen hatten, haben wir den Patienten aber nicht mit eigenen Augen gesehen und konnten nichts über dessen Gesundheitszustand berichten, aber die Jungs von Gravity geben ihr Bestes...
 

Beschwingt vom Bikekartonerfolg beschlossen wir, La Paz noch ein bisschen näher kennenzulernen und eine der "bünzligen" Touristenbustouren (ja genau, die roten Doppeldeckerdinger), die wir schon in anderen Städten (mit weniger Höhenmetern) schätzengelernt hatten, zu unternehmen. Die Busse fahren 352 Tage im Jahr, wir hatten aber natürlich prompt einen der 12 erwischt, an denen sie dies nicht tun (immer die ersten Montage im Monat???). Irgendwie schaffen wir das immer wieder (der Louvre hat 363 Tage im Jahr offen. Der geneigte Leser ahnt es: Volltreffer! Nicht am OSTERSONNTAG, falls jemand einen Besuch planen sollte)...Was nun?


Ausflug der Woche:
Spontan beschliessen wir, mit dem Taxi ins sogenannte Valle de la Luna zu fahren. Wir wissen zwar nicht, was uns dort erwartet (der Reiseführer ist natürlich im Hotel geblieben), der Fahrer scheint aber zu wissen, wohin wir wollen. Auf der Fahrt können wir nun auch noch die "besten" Wohngegenden von La Paz bestaunen, viel sieht man allerdings nicht, da die Ressorts und Villas von hohen Zäunen umgeben und bewacht sind. Das Valle de la Luna war dann aber DIE Überraschung des Tages. Wie es zu seinem Namen kommt, war schnell klar. Wir fühlten uns wie im Bryce Canyon im Miniformat. Dazu beigetragen hat auch die warme Sonne und der ausgeschilderte und gebaute Weg, der durch das Valle führt. Ein echtes Bijou! 




Unsere Velos sind inzwischen zerlegt und in die Kartonschachteln verpackt, denn heute geht es weiter mit dem Bus nach Uyuni und von dort aus folgt eines der Highlights unserer Reise: der Salar de Uyuni und die Lagunenroute auf dem Velo. Dort werden wir dann zwei Wochen lang ohne Verbindung zur Aussenwelt bei den Flamingos auf 4000 bis 4700m unterwegs sein. Wir melden uns wieder aus San Pedro de Atacama… Hier ein kleiner Vorgeschmack was uns erwartet (man beachte die Warnungen zu Beginn…): http://www.betzgi.ch/de/veloreisen/micamino/routeninfo/allgemein.html  und ein paar Bilder: http://www.betzgi.ch/de/veloreisen/micamino/fotos/lagunas.html. Auf geht’s!



3 Kommentare:

  1. die übersetzterin meint: mit vanomos! dürfte vamonos! gemeint sein...

    wir versuchen, euch an der hasejagd.ch würdig zu vertreten und unseren traditionellen zweiten platz zu erreichen.

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  2. Ciao Corsin, Ciao Daniela, liebe Weihnachtsgrüsse von unserem Sushi Essen aus Gutenswil wünschen Euch Papi Claudio & !rene & Marion & Ursina

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  3. Lieber Michi

    Leider geht es uns wie den Tages- und Onlinezeitungen in der schweizerischen Medienlandschaft: wir können uns kein Lektorat leisten und weil es oft schnell gehen soll haben sich doch einige Fehler in unsere Texte eingeschlichen. Im Fall von Vanomos oder eben Vamonos kann es aber gut sein, dass dies unseren mangelnden Spanischkenntnissen angerechnet werden kann… wir bitten um Nachsicht.

    Die Redaktoren

    PS: Und? Hasenjagd endlich mal gewonnen?

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