Donnerstag, 29. Dezember 2011

Himmel und Hölle auf dem Salar und der Lagunenroute


Management-Summary: Die zwölf Tage auf der Lagunenroute war  definitiv das Härteste was wir zwei je zusammen gemacht haben. Wir drei (Daniela, Corsin und wir zwei Zusammen) kamen sowohl physisch wie auch psychisch an unsere Grenzen. Für Corsin war es gleichzeitig das Schönste was er je gesehen hat. Für Daniela das Abenteuerlichste…


Und für die, welche Zeit haben hier die ganze Story: 

C: Zum Start der Busfahrt wurde es nochmals kurz hektisch – da die Hauptstrasse in La Paz durch die Streiks erneut blockiert waren, alle Strassen in der Stadt verstopf,t die per Telefon bestellten Taxis fuhren wiederholt nicht vor. So hielten wir halt ein grosses Taxi auf der Strasse an, welches uns mit unseren Kartons dann direkt in den Busbahnhof hinein fuhr. Nach dem Abgeben der Bikes am Frachtschalter hätten wir zum Personeneinstieg gehen müssen, Corsin hütete unsere Bikes aber wie eine Glucke ihre Küken und wich ihnen nicht von der Seite. Wir dachten ja schon wir hätten viel Gepäck dabei, als plötzlich ein Taxi mit vier grossen Haustüren auf dem Dach und drei im Innenraum auftauchte und der Besitzer diese ablud, um diese ebenfalls mit dem Bus transportieren zu lassen...
Die Nonstop-Fahrt nach Uyuni entpuppte sich dann als Stopandgo-Fahrt: Alle paar Kilometer wurde wieder angehalten, Leute stiegen ein oder aus und vor allem wurde der Frachtraum immer wieder geöffnet und geschlossen, was bei all den Schauergeschichten, die wir von Gepäckdiebstählen gelesen hatten, nicht gerade vertrauenserweckend war. Buch lesend fragten wir uns wann denn Nachtruhe sei – als plötzlich auf einen Schlag das Licht ausging und alle im Stockdunkeln sassen wussten wir es.

Schlussendlich kamen wir alle vier wohlbehalten in Uyuni an und zwei von uns stürzten sich auf ein letztes touristisches Frühstück auf dem Dorfplatz, bevor dann die anderen zwei wieder zusammengebaut und mit dem zur Adventszeit passenden Weihnachtsschmuck ausgestattet wurden. Am Nachmittag besuchten wir dann noch den Eisenbahnfriehof, wobei wir den Verdacht nicht loswurden, dass dieser in Zukunft einfach als riesige Altmetallsammelstelle dienen wird.

Hat jemand von Euch schon mal für 12 Tage auf einem Markt Lebensmittel eingekauft unter der Annahme, dass man fast nichts mehr zusätzlich kaufen kann und im Wissen, dass man jedes Gramm mitschleppen muss?! Der Druck war enorm! Schlussendlich waren aber alle Tagesrationen in einzelne Säcklein verpackt. Total luden wir rund 15kg Lebensmittel und 30 Liter Wasser auf unsere Velos. Damit kam Corsin auf rund 65kg Zuladung und Daniela auf 45kg, macht dann inklusive Velo und Fahrer also 140 resp. 100kg Gesamtgewicht, also total knapp ne Vierteltonne die da losrollten. Entsprechend ungewohnt war dann auch das Gleichgewicht halten…

Die ersten 20 Kilometer auf der sandigen Wellblechpiste nach Cochani erschienen uns als eher mühsam und schwierig – wir würden aber staunen, was noch auf uns zukommen wird… Vorbei an den edlen Salzhotels und den Salzminen, wo Speisesalz gewonnen wird, fahren wir auf den Salar de Uyuni, der rund 140km weiten Salzfläche und bei Corsin kommt irgendwie das Gefühl auf an einem Ziel angekommen zu sein -  war der Besuch des Sees doch eines seiner grossen Ziele dieser Reise.


Wir leisten uns eine Nacht für 100 Dollar im einzigen Salzhotel das auf dem See steht. Die Zimmer sind sehr einfach aber speziell, dafür haut uns das Rundherum nicht gerade aus den Socken – keine funktionierenden WC, keine Möglichkeit sich zu waschen und das inbegriffene Candle-Light-Dinner (Mangels Strom) besteht aus einem einfachen Pot Spaghetti. Andere Radler haben berichtet, dass sie zum gleichen Preis (ja, auf dem West-Coast-Trail ist der Einheitspreis 20 Dollar, egal ob für einen Hamburger oder einen Hummer, und auf dem Salzsee halt 100 Dollar für die Übernachtung – macht es irgendwie einfacher) in einem Salzhotel mit heissen Duschen und Froteewäsche genächtigt hätten. Dafür erhielten Black Pearl und Fernblau ein eigenes Zimmer und der Sonnenuntergang war einmalig.

D: Am nächsten Tag radelten wir während rund 60km auf dem Salzsee. Man stellt sich das vielleicht langweilig vor, ist es aber gar nicht. Ok, es geht eigentlich immer flach geradeaus (Corsin behauptet zwar, sein Gefühl, es gehe immer leicht bergauf, könne ihn nicht trügen), der Untergrund ändert sich aber immer wieder, mal ist die Salzkruste rau und holprig, dann wieder sehr glatt und der Tacho zeigt mehr als 20km/h an. Auch die Farbe wechselt von (fast) ganz weiss zu eierschale, ockerbraun und allen Tönen dazwischen. Zudem hat der See oftmals ein wunderschönes Muster aus Mehrecken (ab Fünfeck aufwärts, das einzige Viereck auf dem See haben wir aber auch gefunden J). Vor sich hin dösen liegt auch nicht drin, die berüchtigten Ojos (mit Wasser gefüllte Löcher im Salz) gibt’s wirklich! Einiges an Abwechslung haben uns auch Eric und Carla gebracht – ein holländisches Pärchen, das ebenfalls radelnd unterwegs ist www.vakantiefietser.nl. Eric hat ein Geschäft, das dem holländischen Veloplus entspricht und ist schon um die ganze Welt geradelt. Es war spannend und gemütlich, uns mit den beiden auszutauschen. Ab und zu überholte uns ein Jeep, einer hielt dann an – und Wil und Laura, die wir an der Sprachschule in Cusco kennengelernt hatten, stiegen aus! Welch ein Wiedersehen!

Das Ziel der Tagesetappe war schon von Weitem am Horizont zu sehen, die Isla Inca Huasi. Beim Näherkommen zeichneten sich auch die grossen Kakteen darauf ab, die mehrere hundert Jahre alt sind. Altehrwürdig, ruhig und verlassen lag die Insel da. Dieser Eindruck wurde aber sogleich revidiert: als wir um die Ecke der Insel bogen, kamen rund 15 geparkte Jeeps ins Blickfeld, die Jeepianer wieselten zwischen den Gebäuden herum und bewanderten die Insel. 

Eric und Carla luden uns ins Inselrestaurant zum Znacht ein – wir müssten in den nächsten Tagen genügend selber kochen - und Corsin kam zu seiner ersehnten Zeltnacht auf dem Salar. 

 
Vor der Verabschiedung am nächsten Morgen machten wir zusammen mit Eric und Carla diverse Perspektivenfotos. Die beiden Holländer würden die Lagungenroute mit 4x4 bewältigen, wir zwar auch mit vier Rädern, aber nur zwei Antrieben… Gegen Ende des Salars wurde das Salz immer nasser und schwerer und verklebte die Velos – wie wir später erfuhren, stand der Salzsee zwei Tage nach unserem Besuch unter Wasser: ein Befahren mit dem Velo wäre nicht mehr möglich gewesen – Glück gehabt! Noch war das Klima aber sehr trocken und heiss – wir verlegten unsere Pausen in den Schatten von Steinen. Die Piste war stellenweise sehr sandig und wir erhielten einen zweiten Vorgeschmack wie es denn werden könnte (zum Glück waren wir zu dem Zeitpunkt noch ahnungslos…). In Colcha K (wie auch immer das Dorf zu seinem Namen gekommen ist) taten wir einen Glücksgriff mit der Unterkunft (nicht, dass es viel Auswahl gehabt hätte…): der Innenhof eignete sich hervorragend als Waschstation und so reinigten wir unser Hab und Gut vom Salz.

San Juan – das letzte Dorf, bevor es so „richtig“ losgehen sollte – als Zwischenziel der nächsten Etappe entpuppte sich als härterer Brocken als wir es erwartet hatten. Einerseits war die Piste zum Teil sehr sandig (das tönt ja so harmlos, ich will mal klarstellen, was das heisst: man schalte in den kleinsten (!) zur Verfügung stehenden Gang und umklammere den Lenker fest, man trete gefühlvoll (mit einiger Kraft, aber nicht brachial) in die Pedale und versuche die Räder so gerade wie möglich zu halten. Unweigerlich wird das Rad abrutschen und ausschwenken, man versuche dies auszugleichen, wobei die Schwierigkeit insbesondere darin besteht, das Heck nicht in der Gegenrichtung im Sand zu versenken. Aus zahlreichen Gründen (zuwenig Druck auf den Pedalen, Ausschwenken, Rad einstecken etc.) wird man immer wieder zum Absteigen gezwungen. Das Aufsteigen und losfahren ist dann noch einmal eine andere Geschichte, die ich euch an dieser Stelle erspare…auch vom Schieben der Velos im Sand (man erinnere sich an das eingangs erwähnte Gewicht…) fange ich erst gar nicht an. Wem das alles zu theoretisch war, soll sich einen schön grossen Sandkasten suchen und mit dem Stadtvelo (Bike zählt nicht wegen der Pneubreite) durchfahren), andererseits zeigte unser Material erste Ermüdungserscheinungen: die Cleats an den Schuhen hatten sich gelöst und auch die Gepäckträgerschrauben mussten nachgezogen werden. 

Nach San Juan sorgte ein Salzsee dafür, dass unser Kilometerschnitt für diesen Tag doch noch sehenswert wurde. Ein plötzlich aufkommender Seitenwind pustete uns fast von den Rädern, es wurde unweigerlich Zeit uns für’s Übernachten einzurichten. Bei gefühlten 180km/h-Wind ist das einfacher gesagt als getan. Um ein Haar hätte Hilleberg ein neues Zelt liefern können, erst das Festbinden an die Räder hat ein Davonfliegen unseres Nallo 3 GT verhindern können. Das Kochen führte Corsin in sein Element: der Kocher wurde in ein von ihm liebevoll gebuddeltes Loch gestellt und funktionierte darin einwandfrei.

C: Irgendwann in der Nacht wurde es dann plötzlich ruhig und um 05:00 Uhr! als der Wecker ging war es windstill. Ja, wir standen meist so zwischen 05:00 und 06:00 Uhr auf, um möglichst lange von der Windstille zu profitieren. Voller Elan machen wir uns an den Pass mit läppischen 600 Höhenmetern – doch der zeigte uns seine Zähne – er war gerade so steil dass man zweihundert Meter würgen konnte um sich dann hechelnd über den Lenker zu legen und zu warten bis man wieder etwas Luft in den Lungen hatte um dann wieder neu loszufahren und zu hoffen dass die Lungen so lange wie möglich nicht merken wie wenig Luft sie hier auf 4200m kriegen. Meistens schafft man es aber gar nicht zweihundert Meter weit, weil das Vorderrad vorher abrutschte und das Gewicht das Heck herumwarf – Corsin hat es in einer Stunde rund 40mal „abgestiegen“. Oder man macht es wie Daniela und schiebt und schiebt und schiebt. Gewisse Teilstrecken haben wir drei Mal absolviert: ein Bike hochschieben, das andere holen und dieses dann auch hochschieben. Nach 2:30h Nettofahrzeit (Zeit in der das Vorderrad rollt) oder eben 4:30h Bruttozeit haben wir den Pass geschafft und legen uns total kaputt an die sengende Sonne die unbarmherzig durchs letzte Loch in den Wolken brennt und beobachten die Gewitter die sich rund um uns herum zusammenbrauen – Weltuntergangsstimmung und wir sind am Anfang von „am Ende“.

Die Piste wird nun schlechter- ja – noch schlechter. Der Wind bläst aus vollen Rohren und die Temperatur fällt im Gewitter innert weniger Minuten von 25 auf 6 Grad. Es folgen 10km auf einer neuen Hauptstrasse, Corsin kommt unter dem Gewicht  und dem Gegenwind kaum mehr vom Fleck und als wir um die nächste Ecke biegen und den nächsten kleinen Pass vor uns sehen, geht uns der Laden runter. Wir geben für heute auf. Mit zitternden Knien und wankenden Beinen steigen wir vom Rad. Während wir zu den frisch verschneiten Vulkanen um uns herum aufblicken geht uns beiden der Gedanke vom Aufgeben durch den Kopf und das am „ersten“ Tag! Wir stellen das Zelt auf einem kleinen Salzsee auf, kochen etwas und legen uns um 18 Uhr mit schmerzenden Beinen schlafen. Corsin meint noch „ das war der zweithärteste Velotag in meinem Leben, gleich hinter der zweiten Etappe vom Cape Epic, die ich mit einer Dehydrierung noch fertiggefahren bin.“

D: Am nächsten Morgen ist mal wieder alles nur noch halb so schlimm. Erholt nach tiefem Schlaf meistern wir den kleinen Pass, der uns gestern zum Aufgeben gezwungen hatte, mit Leichtigkeit. Der nächste war dann wieder etwas härter, dies lag daran, dass die Piste nun sehr steinig war, sodass wir teilweise die Räder auch abwärts haben schieben müssen. Für einmal sprach unsere Routenwahl (von Nord nach Süd) aber für uns, da es länger runter ging als hoch und dabei alles (auch das Schieben) leichter fällt. Die Strapazen wurden bald belohnt: die Abfahrt führte an unsere erste Lagune, die wir mit den ersten Jeeps des Tages erreichen. Ein herrlicher Anblick, der für manches entschädigt.

Die nächste Lagune – Hedionda – ist fast noch ein bisschen schöner und es tummeln sich zahlreiche Flamingos darauf. Ein tolles Naturschauspiel! Zudem taucht auch das erwartete Hotel auf, was unsere Augen glänzen lässt. Wir beschliessen, es bei dieser kurzen Etappe bleiben zu lassen (rund 25km, 3h 15 Fahrzeit).

Bei der Frage nach den Zimmerpreisen erfahren wir: ist Verhandlungssache. Mit 80 Dollar haben wir bestimmt eher viel bezahlt, es war aber jeden Franken wert. 

 



Wir haben dem am Nachmittag aufkommenden Wind im geschützten Innern getrotzt, haben Wäsche gewaschen, eine heisse (!) Dusche genossen, haben uns mit einem Nachmittagsschläfchen gestärkt, sämtliche „Batterien und Tanks“ geladen und zu guter Letzt beim romantischen Candle Light das Dinner genossen.

C: Weiter geht’s entlang diverser wunderschöner Lagunen und Vulkanen. Es läuft gut und die Piste ist das, was wir fahrbar nennen. Der nächste 600m-Pass läuft gut an und wir kommen flüssig voran. Corsin kann sogar wieder ein paar Spanischwörtli lernen. Wir vervollständigen unseren 1000ten Kilometer mit entsprechender Fotosession.

Betzgi (www.betzgi.ch) ist unser Reiseleiter und mit seinen Routenbeschrieben und Skizzen immer dabei. Informationsmässig sind wir sehr gut ausgerüstet: nebst den Angaben von Betzgi haben wir noch einen GPS-Track von Reise Know How dabei, den wir ab und zu konsultieren, drei Blogs von anderen Bikern die wir jeden Abend lesen und Kartenkopien im Massstab 1:200‘000 aus dem ETH-Kartenarchiv – zwar alt, aber das Relief ändert sich nicht so schnell…
Nach dem wir schon fast übermütig werden, wechselt die Piste auf einmal in ein sandiges Flussbett und wir sind wieder am Schieben und unser treuer Begleiter, der Gegenwind, ist auch wieder da. Wir schieben unser Bike zuerst bergauf, dann über eine Ebene und am Schluss in einem sandigen Tal auch bergab. Übrigens: Wind lässt sich auf Fotos fast nicht festhalten…

Erschöpft streichen wir am späten Nachmittag die Segel und bauen unser Zelt im Sandsturm auf. Während Daniela erschöpft ein Nickerchen abhält, kümmert sich Corsin ums Essen: Loch graben und ein weitgereistes Trockenmenue kochen: dieses war schon auf dem West Coast Trail und auf der Indientour mit dabei und musste endlich weg, sonst hätte es Daniela eigenhändig entsorgt – ihr Ultimatum für das Menue ist schon lange abgelaufen. Als Corsin noch auf die nahe Düne wandert (never stop exploring) entdeckt er, dass das Wüstenhotel Desierto nur 400m entfernt gewesen wäre…




Dies war mit -7 Grad und leichtem Schneefall im Zelt, weil wir alle Ritzen rund ums Zelt zugegraben haben, die kältesten Nacht unserer Tour und das ist noch warm – andere haben von -25 Grad auf der Route berichtet. Am nächsten Tag dann das gleiche Lied: Start bei stahlblauem Himmel und phantastischen Farben im frühen Morgenlicht. Dann Untergrundwechsel und 5km leicht bergauf schieben auf losem Kieseluntergrund. Nach dem Mittagshalt dann die grosse Überraschung: Vor einigen Monaten wurde die Sandpiste frei geschaufelt und wir konnten auf einmal richtig zufahren (habe gar nicht mehr gewusst, dass mein Tacho auch zweistellig Zahlen anzeigen kann).

Wir fahren zu bis zum Arbol de Piedra, wo wir auf die zweite (Tages-)welle Jeeps treffen: bis zu 18 Jeeps stehen gleichzeitig bei der Sehenswürdigkeit (den ganzen Tag haben wir 44 Jeeps gezählt). Wir stellen unser Zelt ganz in der Nähe zwischen den Felsen auf und machen uns einen gemütlichen Nachmittag: Daniela schwitzt lesend im sonnenbeschienen Zelt und Corsin liest fröstelnd draussen im Wind. Wir helfen dem Nationalparkwärter mit Schmerzmittel aus unserer Apotheke aus – das ist schon der zweite Wärter, den wir aus unserem Minispital versorgen... 

Corsin nutzt die jeepfreie Zeit für einige Fotoexperimente am Arbol de Piedra. Das ist eine weitere Besonderheit, die wir mit dem Velo erleben: wir sind zum wiederholten Male an einer viel besuchten Sehenswürdigkeit nach Abebben des Touristenstroms ganz alleine dort – erinnert Corsin ganz stark an die ruhige Stimmung im Iltios jeweils am Abend, nachdem die Skifahrer die Skistation verlassen haben.

D: Frühmorgens – wieder bei Minustemperaturen – wecken uns die ersten Jeeps, die bereits aufkreuzen. Die Abfahrt zur Laguna Colorada hinunter verläuft dann zwar viel besser als von unseren „Reiseführern“ angekündigt: die gefürchtete tiefe Sandwüste ist nun auch zu einer Piste ausgebaut. Trotzdem darf man sich nicht zu viel darunter vorstellen: der Tacho zeigt auch hier nur eine einstellige Zahl an: mal holpert das Wellblech, mal die Steine, mal der Sand. Unser Ansporn ist nach wie vor, die beste Linie zu finden (womit wir wieder beim Skifahren wären). An der Laguna Colorada, die bereits im schönsten Rot leuchtet (das tut sie nämlich erst, wenn unser Freund Wind da ist, der die Partikel aufwirbelt, welche die Farbe erzeugen) kommen wir an den offiziellen Nationalparkeingang. Daniela hat sich das Ganze belebter vorgestellt, beim Stichwort Nationalpark sind ihr diejenigen in den USA vor dem geistigen Auge aufgestiegen. Hier ist die Infrastruktur nach wie vor einfach, die Natur spielt die Hauptrolle.

Die Fahrt der Lagune entlang fordert uns wieder heraus: die Piste ist schlechter, der Wind bläst und es geht rauf und runter. Die einige hundert Meter entfernte Ansammlung von Häusern wird von uns als Minenarbeiterdorf eingestuft. Das entpuppt sich dann aber als Irrtum: es handelt sich dabei um die Refugios, in denen wir übernachten wollten. Es sind total 14 Unterkünfte (alle im Baustadium, aber in Betrieb), in denen auch die Jeeptouristen untergebracht sind. Die Unterkunft entpuppt sich als sehr einfach, immerhin ist‘s windgeschützt und eine warme Dusche ist vorhanden. Bei Daniela machen sich langsam Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Die Route zehrt an sämtlichen Reserven. Nach einigen – mehrheitlich sprachlichen Missverständnissen – ist auch klar, wie unser Abendessen ablaufen wird: wir geben die Nahrungsmittel, die wir dabei haben ab und kriegen dafür von dem Essen, das auch den Jeeptouristen serviert wird. Schlafenszeit wird dann wieder mit kollektivem Lichterlöschen angekündigt.

C: Der Chef empfahl uns früh loszufahren – die Jeeps würden bereits um 04:00 Uhr aufbrechen. Wir schlafen bis 05:00 Uhr aus und radeln dann kurz vor 6 los – kurzhosig in den Sonnenaufgang hinein – der Tacho zeigt als er endlich aufgewärmt ist -6 Grad an… Auf einer endlich guten Piste geht es wieder einmal 600m hoch, begleitet von einigen Lastwagen bis zum höchsten Punkt unserer Reise auf 4922m. Wir treffen auf das Pistenfahrzeug, welches die Piste unterhält und immer wieder neue Spuren in den Wüstensand zieht.

Der gute alte Wind ist bereits vor uns angekommen. Wir machen zu Fuss einen Abstecher zum welthöchsten Geysirfeld und lassen uns anschliessend vom Wind gegen Westen blasen – pedalieren ist für einmal fast nicht nötig.





Endlich kommt nach tagelangen Aufstiegen die langersehnte Abfahrt – die ist aber dann doch nicht so rasant wie Daniela sich dies vorgestellt hat – Wellblechpiste zwingt uns zu einem moderaten Tempo runter Richtung Laguna Chalviri. Unten angekommen empfängt uns das Becken der heissen Quellen und wir legen uns für anderthalb Stunden in das warme Wasser. Wir übernachten hinter dem Restaurant im Zelt.

Geschäftiges Treiben weckt uns und wir trauen unseren Augen nicht als wir aus dem Zelt linsen: 17 Jeeps stehen vor dem Restaurant und das Becken quillt über vor Menschen. Wir flüchten uns einige Kilometer weiter bis zur Daliwüste wo wir in der wärmenden Sonne unser Frühstück zubereiten. Der Versuch Pancakes auf dem Campingkocher zu machen ging daneben und so gibt’s irgend etwas zwischen süsser Masse und schwarzem Bodensatz. 

 
Der letzte Pass ist nur gerade 300m hoch und gut befahrbar und doch spüren wir, dass wir langsam wirklic
h durch sind. Nach der Sicht auf den farblich schönsten Vulkan der Route und der Abfahrt in einen bunten neuen Talkessel knallt uns bereits wieder der Gegenwind voll ins Gesicht. Wir kämpfen uns durch vorbei an der Laguna Blanca zur Laguna Verde, der letzten unserer Route. Dort angekommen sind wir irgendwie froh, es geschafft zu haben, aber nach 11 Tagen Plackerei auch einfach auf den Felgen – wir hätten nicht gedacht, dass uns diese Route so stark ans Limit bringen würde. Es mischt sich Freude am Ziel angekommen zu sein mit Wehmut die unvergessliche Landschaft morgen verlassen zu müssen.

Mit Rückenwind holpern wir über Wellblech zum letzten Hotel an der Route, wo wir unser Duschwasser auf dem Benzinkocher kochen, weil zwar schöne Duschen gebaut, aber nicht angeschlossen sind.

D: Den Eingangsbereich der Unterkunft funktionieren wir am nächsten Morgen kurzerhand zur Frühstücksküche um. Mit einem „Vorzeigevulkan“ ­– dem Licancabur -  im Blick radeln wir zur bolivianischen Grenze hoch. Dort kriegen wir die erforderlichen Stempel und werden freundlich in Richtung Chile entlassen.

Es gilt noch einige harte Höhenmeter zu erklimmen und – nach rund 500km – erreichen wir wieder eine Asphaltstrasse. Und nicht nur das: eine steile und ewiglange Abfahrt erwartete uns. In der nächsten Stunde kamen wir 40km weit, wobei wir rund 2‘300 Höhenmeter vernichteten…Die Notfallspuren für Lastwagen mit versagenden Bremsen benutzten wir, um unsere Finger zu stretchen und etwas aufzuwärmen…San Pedro de Atacama – für uns der Inbegriff des Paradises – erwartete uns mit Wärme und den ersten Bäumen seit dem Titicacasee. Eine Oase aus dem Bilderbuch (wir haben zwar erfahren, dass es 14 Oasen sind, aber der Einfachheit halber lassen wir es mal beim Singular). Wie es so ist, kommt man aber nicht so einfach ins Paradies: hier muss man die chilenische Grenze passieren. Nach 90 Minuten anstehen, unfreundliche und hochgradig unspeditive Beamte passieren, alibimässigem Gepäckröntgen und zum Schutz der chilenischen Landwirtschaft Honig abgeben ist es geschafft: wir beziehen ein Hotel (und diesmal meinen wir Hotel) mit Pool, Duschen ausgiebig und gehen ins nächste Restaurant (worunter man sich ein Restaurant vorstellen kann, so ein Restaurant mit Auswahl und so) und schlagen uns die Bäuche voll.

C: Fazit:
- Wir haben keinen einzigen Bericht von Leuten gefunden, welche die Route von Nord nach Süd gemacht haben und fragen uns ob es wohl daran liegt, dass dies bis jetzt noch niemand überlebt hat oder daran, dass es allgemein bekannt ist, dass die Route in der Richtung schlechter befahrbar ist? Ein nächstes Mal würden wir in die andere Richtung fahren.
- Wir hatten nie weniger als 10 Liter Wasser auf uns – haben wir zuviel Reserven dabei gehabt oder braucht es das? Wir würden ein andermal wohl etwas weniger Wasser mittragen, riskieren im Notfall ein paar Liter von einem Jeep erbetteln zu müssen (44x0.5Liter pro Tag…) und dann auch weniger unter dem Gewicht leiden.
- Wir haben fast keine Berichte von Frauen gefunden, welche diese Route absolviert haben. Ich schätze, dass weniger als 1% der Frauen dieser Welt diese Route mitmachen würden - meine hat es gemacht! Sie darf stolz darauf sein und ich mich glücklich schätzen, solch ein Frau zur Freundin zu haben. Danke Daniela!

Feinde der Woche:
Auf der Tour haben wir so manches Mal über unsere Feinde die uns begleitet haben geflucht und daher hier die Rangliste der grössten Feinde auf unserer Lagunenroute:
1. Der Sand – das Übelste was einem Tourenfahren widerfahren kann – bringt den Kilometerschnitt runter bis auf 4kmh - oben ausführlich beschrieben
2. Der Sand – ja, der Sand
3. Der Sand – genau, der Sand
4. Der Gegenwind – kann einem wirklich zur Verzweiflung bringen, wenn man auf einer flachen Strasse auf 8kmh runtergebremst wird. Und im Gegensatz zur Steigung, bei der es danach auch irgendwann wieder runter geht weiss man hier, dass es genauso gut anders sein könnte wenn der Wind aus der anderen Richtung blasen würde…
5. Die Steigung – mit 60kg Gepäck kein Zuckerschlecken. Meist aber vor allem im Zusammenhang mit den Plätzen 1-3 erst unerträglich, dann aber Richtig
6. Die Steinpiste – holpert und rutscht und zwingt einem teilweise auch abwärts aus dem Sattel
7. Das Wellblech – ja, dieses sonst so gefürchtete Terrain kommt erst auf Platz 7, denn Wellblech bedeutet dass man meist fahren kann – ganz langsam und hoppelnd (5.6kmh ist die ideale Geschwindigkeit bei 50-60kg Zuladung) aber doch immerhin fahren
Ausser Konkurrenz: Der Schlamm - Ausser Konkurrenz ist noch der Schlamm zu erwähnen – dies ist das allerübelste dass es gibt – denn der Verklebt alles, so dass ein Fahren überhaupt nicht mehr möglich ist. Davor wurden wir zum Glück verschont. (Kann ja noch kommen, wer weiss…)


4 Kommentare:

  1. Hey ihr beiden! WAHNSINN! Herzliche Gratulation - bin froh dass ihr es überlebt habt!!! ... dass die Landschaften umwerfend sind wusste ich, dass es hart wird mit dem Velo dachte ich mir... dass es soooo hart und sandig ist, jedoch nicht! Geniesst Chile und rutscht gut! Liebe Grüsse Marion

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  2. Danke für de Bericht, sehr idrücklich. Ich chume ab jetzt nüme mit Eu goge Velofahre - Ihr sind mir zkrass! :) Gueti Start im 2012i und gnüsseds!
    Stefan

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  3. Toller Bericht. Und auch gleich inspirierend.
    Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich im November wieder nach Bolivien/Chile fahre oder nach Afrika.
    Ich würde liber die Lagunenroute in Angriff nehmen, bin mir aber nicht sicher, ob der November wirklich geeignet ist. Ich habe mittlerweile soviel unterschiedliches in Blogs gelesen.... dass ich keine Ahnung mehr habe.

    Was meint Ihr?

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    1. Die Lagunenroute ist auf jeden Fall der Hammer. Mit dem Wetter kannst Du es so oder so treffen. Meine Schwester war einen Monat vor uns dort mit dem Jeep und sie hatte minus 25 Grad, aber schönes Wetter. Wir hatten super Wetter und 3 Tage später hatte es Wasser auf dem See und wir haben Radler getroffen die aussen rum fahren mussten.

      So oder so sind fast das ganze Jahr über Jeeps unterwegs und von da her bist Du relativ sicher, weil sie Dir bei Problemen helfen können.

      Ich auf jeden Fall würde jederzeit sofort wieder auf die Route gehen.

      Gruss Corsin

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